Mittwoch, 16. September 2020

Bondora unter der Steuerlupe

Vorbemerkung/disclaimer: das wird ein längerer Artikel und ein mögliches how-to. Der Autor ist kein Steuerberater. Von daher wird hier keinerlei Empfehlung gegeben, sondern lediglich angegeben, worauf man achten muss und wie es möglich ist, sich die benötigten Daten überhaupt zu beschaffen. Bei höheren Einkünften empfiehlt sich eine Fachfrau (Steuerberaterin) hinzuzuziehen oder den Fall mit dem Finazamt zu besprechen. Auf viel Erfahrung mit p2p-Erträgen wird man dort allerdings nicht stoßen.

Grundlagen

Einkommen sind zu versteuern. Einkünfte zu verschweigen kann empfindliche Strafen nach sich ziehen. Aus Steuereinnahmen werden grundliegende Staatsaufgaben finanziert. Auch wenn nicht jedem jede Ausgabe als sinnvoll erscheint, so wurden die Entscheidungen doch von demokratisch gewählten Vertretern getroffen und sind daher zu respektieren. Einen Teil der Kapitaleinkünfte an das Gemeinwesen abzugeben und damit u.a. Infrastruktur oder Kindergärten zu finanzieren sollte daher nicht nur negativ betrachtet werden. Über Gerechtigkeit lässt sich sicherlich streiten. Die momentane Situation der (in den meisten Fällen geringeren) Kapitalertragsteuer benachteiligt Anleger zumindest nicht gegenüber anderen Einkünften.

Alles, was den persönlichen Freibetrag überschreitet unterliegt der Besteuerung. Bei der Einkommenssteuererklärung wird die Berechnung auf Grundlage der Angaben in der Einkommenssteuererklärung automatisch vorgenommen. Bei inländischen Kapitalerträgen zieht die Bank (nach Abzug des eingereichten Freistellungsauftrags) die Steuern bereits ab, so dass die Anlegerin meistens eher Geld zurück erhält. Bei p2p-Anlagen ist dieser Quellensteueransatz im Moment nicht gegeben, egal ob im Inland (z.B. auxmoney) oder im Ausland (z.B. bondora). Die entsprechenden Plattformen können allerdings zu Kontrollmitteilungen an das zuständige Finanzamt aufgefordert werden. 

Solche unversteuerten Erträge sind anzugeben und, auf Aufforderung, zu belegen. Idealerweise bekommt man daher von der jeweiligen Bank/Plattform eine Jahressteuerbescheinigung. Dann muss man für die Steuererklärung nur ein paar Summen berechnen, den Rest macht dann das Finanzamt und fordert die Steuern ein. Je nach Ertragslage wird das auch zu Vorauszahlungen für die Folgejahre führen. Das schmerzt dann gleich doppelt: Nachzahlung und Vorauszahlung für das laufende Jahr sind dann sofort fällig.

Im folgenden beschränke ich mich auf Bondora, wo die Ertragsermittlung besonders kompliziert ist.

Folgende Ertragsarten können bei Bondora anfallen:
  • Zinsen, Verzugszinsen, Strafzinsen aus Kreditanteilen. Diese stellen kein Problem dar, weil sie von Bondora gut ausgewiesen werden und auch auf der Steuerbescheinigung korrekt sind.
  • Zinsen aus Go&Grow. Hier fährt Bondora eine eigenwillige Ansicht, dass die Zinsen, obwohl jeden Tag berechnet und gutgeschrieben, erst bei endgültigen Auflösen des Kontos anzurechnen sind. Ob das Finanzamt diese Ansicht teilt ist fraglich. Zudem können Nachteile entstehen, wenn z.B. Freibeträge dadurch nicht ausgeschöpft werden oder der Steuersatz in Zukunft höher liegt (wofür leider eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht).
  • Gewinne aus Zweitmarktgeschäften. Diese werden grundsätzlich bescheinigt und sind für die meisten Anleger so auch brauchbar, insbesondere wenn man keine oder wenige Zweitmarktkäufe tätigt oder wenn man zumindest keine Kreditanteile mit starken Abschlag kauft und behält. Anderenfalls zahlt man (zunächst) deutlich zuviele Steuern, wenn man sich an die Bondoraberechnungen hält. Warum? Bondora rechnet den Unterschied zwischen Kaufpreis und ausstehendem Kapital (zu pari!) als Sofortgewinn. D.h. wer einen Inkassokredit mit 100€ Nennwert für 15€ kauft, hat, bis zum Wiederverkauf oder endgültigem Ausfall 85€ Gewinn gemacht und muss diese versteuern. Dazu später mehr.
  • Gebühren aus Inkassozahlungen mindern, sobald die ausstehenden Zinsen "aufgebraucht" sind das Eigenkapital des Kredits und sind als Verluste abschreibbar. Ebenso werden manche (eher wenige) Inkassokredite auch vor der kompletten Rückzahlung endgültig abgeschrieben und führen zu Verlusten. Diese Verluste werden auf der Steuerbescheinigung ausgewiesen. Sie können gegengerechnet werden - gegen was alles fragt bitte euren Steuerberater. Ob nur gegen Verkaufsgewinne oder auch Zinsen, oder Einnahmen bei einer anderen Plattform, schwierige Frage.
  • Gewinne können auch erzielt werden, wenn ein mit Abschlag eingekaufter Kreditanteil mehr (Tilgung) zurückbezahlt hat als den Kaufpreis. Nach meinem Verständnis in dem Jahr, in dem die "Überzahlung" stattfand. Das führt zu komplizierten Berechnungen.

Prinzipiell ist die Steuerbescheinigung von Bondora konfigurierbar. Überlegt euch also bevor ihr etwas beim Finanzamt abgebt gut, welchen Posten ihr da stehen haben möchtet. Go&Grow ist leider nicht enthalten. Wie gesagt, ein einfaches Weglassen ist keine Lösung. Wenn ihr korrektere Ertragsberechnungen verwenden wollt, müsst ihr diese selbst durchführen und gegebenfalls dem Finanzamt gegenüber schlüssig begründen können. Das können dann leicht mal einige hundert bis zehntausende Einzelbuchungen werden. Von Hand ist da sowieso nichts mehr zu machen.

Vorschläge zur Berechnung folgen.

Ideen zur Ermittlung

Go&Grow lasse ich mal außen vor. Ich denke, Bondora wird früher oder später noch die gutgeschriebenen Zinsen in den Report in der summarischen Übersicht mit aufnehmen, ansonsten ist das einfachste am Jahreende jedes Mal einen Screenshot zu machen und die Differenz zu bilden. PDF in Excel umwandeln geht auch.

Zinsen und Abschreibungen werden wie gesagt korrekt im TaxReport ausgewiesen, wir werden sie aber zu Kontrolle auch selbst noch berechnen.

Ich bin noch in der Testphase, aber bislang sieht alles machbar aus. Ich generiere die Zahlen aus dem "income report" genauer gesagt brauche ich zwei davon. Einen nenne ich "Vorgeschichte", er umfasst den kompletten Zeitraum bis mein Steuerjahr anfängt, also z.B. von 2012-31.12.2019. Der zweite, "Aktuell" ist dann das Jahr, für das Steuern anfallen, also 1.1.20-31.12.20.

Meine Auswertungen werde ich mit access vornehmen, denn es handelt sich bei mir um rund 20.000 Zeilen. Soviele Kredite haben cashflow generiert (nicht unmittelbar Einnahmen).

Nun gibt es einige Fälle zu unterscheiden:

  1. Interest und penalties - wie gesagt, nur zur Kontrolle, werden einfach alle aufsummiert.
  2. Das gleiche fürWriteOffPrincipal und DebtServicingCostPrincipal - die Abschreibungen.
  3. Jetzt verknüpfe ich die beiden Tabellen anhand der Kreditnummer. Dafür gibt es in access den Right Join-Befehl. Anschaulich gesprochen füge ich an die Tabelle Aktuell rechts alle Felder von Vorgeschichte mit der gleichen Kredit(anteils)nummer an.
    Aus den Daten der Vorgeschichte ermittle ich einen "virtuellen Kaufpreis". Er ist das Maximum aus (echtem) Kaufpreis und zurückbezahltem Kapital. Warum? Übersteigt die Rückzahlung im Vorjahr bereits den Kaufpreis, dann habe ich diesen Gewinn bereis versteuert.
  4. Für jeden Kredit ist die Differenz aus Kapitalrückzahlung im aktuellen Jahr und virtuellem Kaufpreis (früherer Kauf) bzw. tatsächlichen Kaufpreis (im aktuellen Jahr) als Zugewinn zu rechnen. Sofern positiv.
  5. Das gleiche gilt für die Verkäufe. Hier kann ja bereits ein Teil des Zugewinns in den Vorjahren versteuert worden sein. D.h. die Berechnung ist die selbe wie unter 4.

Das ganze lässt sich umsetzten, aber nicht mal eben in einer Stunde. Fortsetzung folgt. Gerne diskutiere ich Schwächen in meinem Ansatz oder Verbesserungsvorschläge. 

Aussehen würde das Ganze in etwa so:

Übersicht 1-6/2020
Land Verkaufsgewinne Rückzahlungsgewinne Zins Abschreibungen ZinsGesamt vKaufpreis
EE 269,55 € 187,22 € 2.268,20 € -479,93 € 8.314,21 € 68.812,53 €
ES -41,19 € 2,38 € 46,03 € -5,95 € 81,61 € 2.844,65 €
FI -90,54 € 83,30 € 252,35 € -50,44 € 912,53 € 7.328,20 €
SK -262,82 € 0,58 € 10,22 € 0,00 € 26,18 € 597,46 €
Summe
-125,00 € 273,48 € 2.576,80 € -536,32 € 9.334,53 € 79.582,85 €

Dabei bedeutet der Verkaufsgewinn der in diesem Jahr erzielte Gewinn ohne Rückzahlungsgewinne aus den Vorjahren, Rückzahlungsgewinn = Differenz aus Rückzahlungen und Kaufpreis im aktuellen Jahr, Zins=gezahlte Zinsen und Strafen, Abschreibungen=abgeschriebenes Principal und zu Deckung von Inkassokosten genutztes Principal, der Rest sind einfach ein paar Zusatzinfos.

Die Zinsen stimmen bei mir nicht ganz exakt mit denen aus anderen Reporten überein, da vermutlich im income Bericht Fehler sind (Anfrage bei Bondora läuft).

Das accessfile gibt es hier zum Download.

Disclaimer: Die Ausgabe ist nicht zur Vorlage beim Finanzamt gedacht. Der Autor ist nicht kompetent in Fragen Steuern zu beraten und tut das ausdrücklich nicht. Die Berechnungen können inhaltliche Fehler enthalten (falsche Grundidee) oder Fehler bei der Umsetzung der Formeln.

Verwendung: Datei herunterladen und in einem Ordner speichern. Bei Bondora zwei Income reports erzeugen. Der erste vom Beginn der Investitionen bis Ende des Vorjahrs. Der zweite über den relevanten Zeitraum. Datei öffnen, Inhalt aktivieren. Rechter Mausklick auf Aktuell, Tabellenverknüpfungsmanager aufrufen. Beide Kästchen anhaken. Immer zur Eingabe... (unten) anhaken. OK klicken. Zuerst die Datei mit dem relevanten Zeitraum aussuchen. Öffnen. Nun die Datei mit der Vorgeschichte öffnen. (Fenster) schließen. Doppelklick auf Übersicht, und Voilá.

4 Kommentare:

  1. Reports -> Create new report -> Tax Report

    Go & Grow Zinsen einfach ablesbar. Gebe ich jedes Jahr normal in der Steuererklärung mit an. Total einfach eigentlich.

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  2. Interessant. Bei mir steht da nix. Hast du zum Jahresende alles ausgezahlt oder sonst etwas besonderes gemacht?

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  3. Ich glaube, dass die Herangehensweise über den "virtuellen Kaufpreis" einem Irrtum unterliegt. Nachvollziehbar finde ich, dass Rückzahlungen, die die Anschaffungskosten eines Kredits übersteigen in der aktuellen Periode versteuert werden müssen.

    Wir ein diskontiert erworbener Kredit nun aber über mehrere Jahre gehalten und überstiegen die erhaltenen Rückzahlungen bereits in einem der Vorjahre die Anschaffungskosten, so muss doch jede weitere Rückzahlung in einem Folgejahr ebenso als "Rückzahlungsgewinn" versteuert werden.

    Beispiel:
    - In 2019 wird ein Anteil mit einem Principal von 1,00€ mit 90% Abschlag zu Anschaffungskosten von 0,10€ erworben.
    - Der Kredit erholt sich und in 2019 erhalte ich bereits 0,30€ an Rückzahlungen. Der zu versteuernde Rückzahlungsgewinn in 2019 beträgt 0,20€ (0,30€ abzgl. Anschaffungskosten von 0,10€).
    - In 2020 erhalte ich weitere 0,50€ an Rückzahlungen ("ReturnedPrincipal" im Income Report). Ich muss also *weitere* 0,50€ versteuern ohne hier etwas zum Abzug bringen zu können.

    Das Missverständnis besteht eventuell in der Annahme, dass die ReturnedPrincipal-Spalte des Income Reports die erhaltenen Rückzahlungen *aller* Jahre ausgibt. Das stimmt aber nicht - meines Wissens enthält diese nur die erhaltenen Rückzahlungen des *aktuellen* Jahrs.

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    1. Ja, das ist so. Man muss aber gucken, ob man schon in dem Bereich ist, in dem man Gute macht. Nicht trivial.

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