Freitag, 19. Mai 2023

Lendermarket - der Ritt auf der Rasierklinge

Wer bei der P2P-Pattform Lendermarket investiert, muss schon genau wissen, was sie oder er da tut. Sein Geld wird man jedenfalls nicht so schnell wie erwartet wiedersehen. Dafür winken Renditen bis zu 18% p.a. mit weniger sollte man sich auch nicht zufrieden gehen.

Jede Möglichkeit, der hohen Inflation als Kapitalanleger doch noch ein Schnippchen zu schlagen und noch sogar nach Steuern sein Geld zu vermehren, geht naturgemäß ein sehr hohers Risiko ein. Die Zinsen gibt es nicht für umsonst. Außer für das Finanzamt. In diesen inflationären Zeitem dem Sparen von dem Kapitalertrag, der im Regelfall real zu deutlichem Vermögensverlust führt, noch 25%+ abzunehmen zeigt schon dass es mit der Solidarität nicht allzu ernst gemeint ist. Die wirklich Reichen zahlen zumeist ja nichts bis sehr wenig. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zurück zu Lendermarket. Fast alle Kredite dort sind von Creditstar, einem (für die Branche) alteingesessenen Unternehmen, das payday-Loans und mittlerweile auch länger laifende Kredite (ich habe bis etwa 4 Jahre gesehen) an Leute aus verschiedenen Ländern verleiht: Polen, Spanien sind ganz vorne mit dabei, aber auch Tschechien, Dänemark, Finland. Plottwist: spielt keine Rolle.

Creditstar finanziert über verschiedene P2P-Plattformen erstmal sich selbst. Die Zuordnung zu einzelnen Kleinkrediten ist auf dem Papier zwar gegeben, ist aber völlig intransparent und für den Anleger irrelevant. Zumindest bis Creditstar insolvent geht, was ich mal nicht hoffe. Dann könnte man vermutlich eine Spanienrunfreise antreten und an vielen Türen klingeln, um zweistellige Geldbeträge einzufordern. Worst case.

DIe Fakten sind, dass niemand irgendwelche Kredite zurückbezahlt. Ich habe schon seit über einem halben Jahr keine Rückzahlung mehr nach Tilgungsplan gesehen. Ob das durch creditstar selbst oder den Kreditnehmer verursacht ist, kann ich nicht erkennen. Irgendwann springt dann Creditstar ein und begleicht die Rechnung. Zins und Tilgung. Kein Problem, oder doch?

Zunächst der Zeitraum. Back in the day waren das mal ein Monat (dann zahlten manche, aber nicht viele), dann bis zu 2 Monate Wartezeit im Verzug, dann Ablöse. Die Liquidität war aus meiner Sicht ok.

Das ist nun nicht mehr so. Weil Creditstar das nicht mehr leisten kann. Obwohl man ganz gut Gewinne schreibt mit diesem Geschäft, besteht seit vielen Monaten ein Liquiditätsengpass. Mal weniger, mal sehr heftig. Bis hin, dass börsennotierte Anleihen nur verspätet und in Raten zurückbezahlt werden. Keine gute Referenz für spätere Finanzierungen.

Auf jeden Fall schöpft Creditstar den Kreditvertrag nun in jedem Einzelfall voll aus. Das bedeutet, jeder Kredit wird 6mal bis zu einem Monat verlängert. Aus einem Monat Laufzeit werden so in der Realität 9. Dann wird, im Moment zumindest, abgelöst, das funktioniert. Auch die Zinsen werden zwischenzeitlich immer mal wieder bezahlt, das funktioniert auch. Aber der cashflow ist ein ganz anderer, zusätzlich zum Risiko. Zwischenzeitlich fürden für 1-Monatskreditenur 12% angeboten, für Langläufer 17-18%. Das macht aus Anlegersicht überhaupt keinen Sinn, beide laufen mindestens 9 Monate. Ob dann die Langläufer ausbezahlt werden oder dann, auf dem Papier, in die regulären Raten zurückkehren ist noch unklar, sie stammen frühestens vom Januar.

Letztes Problem ist, dass niemand weiß, ob Creditstar tatsächlich Cash pünktlich fließen lässt, um die Kredite am Ende abzulösen. Seit ein paar Wochen kann Lendermarket Abhebungen nicht wie gewohnt innerhalb von 3 Werktagen bedienen, es dauert mitunter bis zu zwei Wochen.

Wer gerne in Junk investiert, kann sich hier austoben. Solange das Kartenhaus nicht einstürzt sind die Renditen außergewöhnlich. Meine Altersvorsorge würde ich hier allerdings nicht bilden wollen.