Freitag, 22. Oktober 2021

Cash drag im P2P-Sektor



 

Cash drag bedeutet, dass ein Teil des Portfolios (in der Regel unbeabsichtigt) in cash gehalten wird und somit nicht "arbeitet". Der drag bezieht sich auf die Rendite, die sinkt dadurch natürlich. Seit einiger Zeit ist dieses Phänomen bei vielen p2p-Plattformen spürbar vorhanden. Es kommt insbesondere bei größeren Neuanlagen zum Tagen, aber auch wenn die Summe der Rückflüsse (die man reinvestieren möchte) die verfügbaren Angebote für längere Zeit deutlich übersteigt.

Wie immer bestimmt sich der Markt aus Angebot und Nachfrage. In diesem Fall nach Kreditanteilen. Solange der Anbieter solide arbeitet und gewisse Standards beibehält, ist das Angebot nicht beliebig (schnell) skalierbar. Auch wenn z.B. Bondora behauptet, man könnte die Kreditzahl alleine durch den Werbeaufwand sehr schnell hochfahren.

Auf der anderen Seite ist die Nachfrage sehr hoch. Das hat verschiedene Gründe:

- die Zinsen bei klassischen Anlageformen wie Tagesgeld oder auch Staatsanleihen sind weiterhin bei 0% oder nur sehr wenig darüber. Eine Änderung ist zumindest für die nahe Zukunft nicht abzusehen.

- Gleichzeitig zieht die Inflation an. Bei einer Inflationsrate von z.B. 3,5% (im Moment realistisch) würde man in 20 Jahren bereits die Hälfte der Kaufkraft einbüßen. Das ist ja gerade der Sinn von Zinsen, diesen Verlust zu kompensieren oder sogar zu einem realen Vermögenszuwachs zu führen.

- Einige der p2p-Plattformen sind nun bereits seit einigen Jahren am Markt etabliert und haben bewiesen, "das so etwas funktioniert". Auch durch die kurze Corona-Finanzkrise Anfang 2020 ist man gut durchgekommen.

Zum Glück hat sich das noch nicht soo breit herumgesprochen. Aber längst merkt die Anlegerin, dass die Zinsen nach unten tendieren und gleichzeit nicht alles Geld immer sofort investierbar ist.

Einige Plattformen im einzelnen

Bondora war vom cash drag sehr stark betroffen und man musste einige Maßnahmen einleiten. Es machte zumindest den Eindruck, als habe man erstmal sehr auf die Qualität der Anlagemöglichkeiten geachtet, so wurden zunächst spanische und finnische Kreditvergaben ausgesetzt und auch die Bestnoten beim Scoring vergab man eine Zeitlang überhaupt nicht. Dadurch ist Bondora sehr gut durch die Krise gekommen und lockert nun nach und nach die Zügel.
  • Die monatliche Anlagesumme bei go & grow wurde zunächst auf 1000, später auf 400€ gesenkt und beträgt seit November 21 nun wieder 1000€. Für einen "Sparplan" ganz ordentlich, für das spontane Anlegen einer höheren Summe völlig ungeeignet. Mit 6,75% Rendite und vermeindlich hervorragender Liquidität und gefühlt geringem Risiko hat sich für manche g&g zur Tagesgeldalternative gemausert. Das reale Risiko ist aber natürlich höher, es gibt keinerlei echte Absicherung.
  • Klassische Anlagen wurden stark beschränkt und man bekommt fast nur 1€-Anteile.
  • Die Rückflüsse eines größeren Portfolio waren nicht wieder anlegbar.
  • Auch der Zweitmarkt war recht ausgetrocknet.
  • Die Möglichkeiten per API automatisiert anzulegen wurden stark eingeschränkt und diese Methode wird von Bondora nicht weiter ausgebaut, sondern eher vernachlässigt.

Die Situation scheint sich seit Oktober 2021 zu bessern.
Es ist im Wesentlichen nur automatisiertes Anlegen (portfolio pro) möglich.

Swaper hatte 2020 seine Zinssätze auf 14/16% erhöht und seither beibehalten. Die monatliche Anlagemöglichkeit scheint seit längerer Zeit bei 7Mio zu liegen. Bei neuen Kapitalzuflüssen oder auch allein durch die Wiederanlage von Zinsen führt das zu cash drag. Durch einen neuen Anlageassistent hat man versucht, die Anlagemöglichkeiten gerechter zu verteilen. Bei mir beträgt der cash drag im Moment 10-15% meines Gesamtportfolios. Angesicht der sehr hohen Zinsen nehme ich das halt hin.
Investitionen sind nur automatisch möglich. Die Kredite sind aus Polen oder Spanien.

Peerberry hat inzwischen auch die Zinsen abgesenkt, 12% sind nur noch mit Bonus in seltenen Fällen möglich. Nicht immer ist alles Geld sofort investierbar, aber nach wenigen Tagen klappt es meistens. Oft kann man manuell besser investieren, wenn man einen Schwung neuer Kredite erwischt. Aber auch per Automatik klappt es früher oder später. Man findet vor allem Kredite aus Rußland, aber auch Kasachstan, Vietnam und weiteren Ländern.

Lendermarket hat seine Zinsen teilweise wieder auf 12% (-14%) im kurzfristigen Bereich zurückgenommen. Langfristig, ab 1J Anlagedauer, sind 15% drin. Das Geld ist meisten sehr schnell investierbar, manuell oder automatisch. Nur ab und zu gibt es für einige Tage keine Kredite. Die meisten buy-back Kredite bei Kurzläufern sind aus Spanien oder Polen.

Moncera hat die Zinssätze dramatisch zurückgefahren. Angebot gibt es oft nur von 6-7,5%. Das ist für mich uninteressant. Von daher liegt bei mir dann doch Geld uninvestiert herum. Ich bin sehr gespannt, ob die Anleger da mitspielen.

Estateguru schwankt ziemlich, was Anlagemöglichkeiten angeht. Im Moment sind wieder mehr Projekte vorhanden, zwischendurch hatte ich auch 10-15% cash, weil ich in gewisse Projekte nicht investieren möchte. Die Zinssätze sind von im Mittel 11% inzwischen auf unter 10% gefallen. Dank vergleichsweise(!) recht geringem Risiko trotzdem noch attraktiv.

Afrango ist eine sehr junge Plattform, auch wenn der dahinter stehende Kreditanbieter schon lange auf dem Markt ist. Die an Anfang extrem hohen Zinssätze von 16, gar 18% sind inzwischen auf 14%, dann 12%gefallen. Es gibt nun auch einen Zweitmarkt, wo man Anteile in der Regel mit Aufschlag kaufen kann. Das Kreditangebot auf dem Erstmarkt ist oft nicht ausreichend. Die dahinter stehende Gruppe Stik Kredit ist zwar seit langem im Geschäft, trotzdem sind Anteile aus Bulgarien jetzt nicht unbedingt meine erste Wahl. Buy back, logo.

Diese Auflistung ist rein subjektiv und umfasst die meisten Plattformen, bei denen ich zur Zeit aktiv investiere. Die Links sind Werbelinks, die für Neuanleger und für mich meist zu einem kleinen Bonus (in der Regel 0,5-1% der Anlagesumme der ersten Monate) führen.

Abschließend noch zu cash drag:  es ist nicht alles schlecht, denn dadurch ist eine gewisse Liquidität vorhanden, wenn man doch mal schnell cash benötigt - sei es aus persönlichen Gründen, oder um wo anders ein gutes Investment zu machen. Im Fall einer Krise nützt das nicht unbedingt, solange man automatische Anlageassistenten benutzt.

(aktualisiert: 30.12.21)

1 Kommentar:

  1. Äußerst nervig wenn das langfristig der Fall ist. Bei Swaper und Twino bin ich wegen dem immer wieder merklich vorhandenen Cahsdrag entnervt ausgestiegen.

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