Sonntag, 1. April 2018

Tere (hallo) Bondora!


Ich habe drei Blogeinträge geplant:
1.       Besuch bei und Gespräch mit Bondora
2.       Reisebericht Tallinn
3.       Mein Eindruck von Estland aus Investorsicht

Bondora hatte uns, also mich und meine Frau die ebenfalls bei Bondora investiert ist, in der Woche vor Ostern zu einem Investorgespräch eingeladen. Vermutlich weil ich immer sehr viele Fragen stelle. Und nicht wenig investiert habe und eine ziemlich gute Performance erziele.


 Ja, draußen war es kalt.

Gesprochen habe ich hauptsächlich mit Matt vom Investorrelation, mit einem IT-Spezialisten und am Ende mit einem Datenanalyst. Natürlich gab es eine Büroführung, aber dazu kennt ihr wahrscheinlich das Video von AktienMitKopf (https://www.youtube.com/watch?v=8CUBwlBrEMQ)

Wir sind mit dem Bus zu Bondora gefahren. Das Büro ist in einem Startup-Towers im Süden von Tallin zu finden, in 15 Minuten und etwas Fußweg. Bondoras Büroräume sind im 3. Stock, es gibt einen Servicebereich (Kundenbetreuung) und einen Entwicklungsbereich.




Ich hatte einige Fragen mitgebracht und weitere ergaben sich im Gespräch. Die Atmosphäre war sehr freundlich, offen und konstruktiv. Ich hatte den Eindruck man versuchte mir ehrlich zu antworten.

Aktueller Stand und Pläne

Bondora hat nun etwa 50 Mitarbeiter. Das möchte man nun stabil halten. Ein neues Produkt (go&grow) ist gerade in der Test- und Optimierungsphase, es handelt sich um so etwas ähnliches wie einen Bond mit einer Verzinsung im oberen einstelligen Bereich, steuerlich attraktiver, ich weiß allerdings weder ob der Zinssatz fest noch ob er garantiert sein wird. Ich habe darauf hingewiesen, dass es bei ablrate ein ähnliches Produkt gibt und dass man aus Anlegersicht auf Liquidität achten solle. Mittelfristig arbeitet man an einer Banklizenz. Weitere neue Produkte sind gerade nicht in der Planung, auch keine Expansion in weitere Länder. Insbesondere ist auch nicht angedacht, Bondora zu verkaufen. Finde ich gut so.

Nachfrage an Krediten und verfügbares Geld

Laut Statistik sind gut 120 Mio Kapital verliehen, wenn ich mich richtig erinnere nannte Matt eine deutlich höhere Zahl an Anlegergeldern. Es gibt institutionelle Anleger, diese machen allerdings nur etwa 5% der Anlegegelder aus. Das möchte man auch gerne in diesem Verhältnis lassen, man sucht also nicht aktiv nach weiteren Großinvestoren. Grund dafür ist u.a. das ein Abzug sehr großer Summen innerhalb kurzer Zeit dann ein großes Problem werden könnte.

Wie jeder Anleger weiß, macht Bondora viel Werbung wir sollen doch Freunde als Anleger werben. Andererseits bekommt man ja längst nicht jede gebotene Summe auch investiert. Für mich ein gewisser Widerspruch, der auch nicht ganz aufgelöst werden konnte. Einerseits ist das Verhältnis Angebot-Nachfrage im Moment ganz ok, zum anderen könnte man deutlich mehr Kreditnachfrage befriedigen, falls mehr regelmäßiges Anlegerkapital verfügbar wäre (die Rede war hier von ca. 3Mio/Monat die man ohne große Anstrengung akquirieren könnte).

Warum werden Angebote auf dem Zweitmarkt sofort durch PM aufgekauft (current, zu par)? Man möchte die Liquidität sichern, das ist für viele Anleger wichtig. Und ich glaube in der Summe für die Käufer auch kein schlechtes Geschäft, auch wenn ich manche Kredite nicht kaufen würde.

Anregungen von mir: Ein Erstmarkt, bei dem zumindest manche Kredite wieder wirklich sichtbar wären, wäre hilfreich und im Sinne von people2people.Ich würde die Werbeprämie in jeweils 2,5% aufteilen, dann wäre auch der Anreiz für Erstinvestitionen höher. Und natürlich – immer wieder im Gespräch – die Bitte um mehr Transparenz, mehr Erklärungen warum manche Änderungen erfolgen etc.

Die Technik hinter dem Ganzen

Das Gespräch mit dem Entwickler war sehr interessant. Mich hat zunächst beeindruckt, dass er bei praktisch allen angesprochenen Problemen sofort wusste, was ich meine. Es leuchtet ein, dass gewisse Implementierungen Zeit brauchen und ich fand es ein gutes Zeichen, dass man sie wenigstens auf dem Schirm hat und daran arbeitet. Programmiert wird in .net, nach der Technik zu fragen habe ich vergessen.

Das API funktioniert im Wesentlichen ganz gut und man wird ASAP eine einfache Statusseite einrichten, auf der zumindest zu erkennen ist ob gerade eine Wartung durchgeführt oder ein momentanes Hängen vorliegt. Ich habe angeregt, noch einen Endpoint für den accountStatement zu schaffen und ein paar zusätzliche Datenfelder unter Investments. Für mich wichtig wären DateOfDefault und Markup, falls der Anteil zum Verkauf steht.

Die Sache mit den Centbeträgen ist im Moment nicht optimal gelöst, man ist da mitten in einer Umstellung. Dann werden,wie z.B. bei Mintos üblich, auch Centbruchteile gebucht. Das gilt für Rückzahlungen und collection fees.

Die collection fees werden tatsächlich pauschal nach dem Gießkannenprinzip erhoben. DCAs sind inzwischen schon wieder Geschichte, aber es ist nachvollziehbar, das Bondora nicht profitabel arbeiten kann, wenn man all die Gerichtsgebühren etc. selbst trägt oder vorstreckt. Auch die Kreditnehmer werden natürlich an den Kosten beteiligt, soweit das gesetzlich möglich ist. Gerade in diesem Bereich habe ich mehr Transparenz angemahnt. Insgesamt ist man sehr optimistisch, dass sich die Recoveryquote mittelfristig deutlich verbessert. Schaun wir mal. So wirklich schlecht ist Bondora bei meinen Krediten schon jetzt nicht, aber mehr wäre auf jeden Fall besser.

Beim Rating setzt man stark auf die Lernkurve, wodurch sich dieses beständig verbessern sollte. Man sieht sich die Entwicklung zwischen Ist und Soll monatlich an, die notwendigen Anpassungen sind allerdings deutlich weniger geworden. Inzwischen geht die Verarbeitung weitestgehend automatisiert während man früher manuell nachsteuerte.

Meine Frage, wie das überhaupt geht, innerhalb von Minuten eine sinnvolle Kreditentscheidung zu treffen ergab eine sehr interessante Antwort. Abgesehen davon, dass man hunderte von Kriterien in die Bewertung einfließen lässt (z.B. benutztes Endgerät, Verhalten während des Beantragungsprozess…) kommt man in Estland sehr einfach an die Daten über den potentiellen Kreditnehmer: ist alles auf der Chipkarte des Personalsausweises gespeichert. Alles. Kreditgeschichte, Gesundheitsgeschichte, Bankverbindungen, Kontostände, Steuerdaten. Unglaublich. Mit dem Ding kann man weltweit wählen, Geld überweisen, zum Arzt gehen, Paybackpunkte sammeln… da steht mehr über dich drin als in facebook. Und die Esten sind sehr stolz auf ihr IT-System. Kann man jetzt so oder so sehen, aber Bondora hilft das natürlich. Das ist auch ein Grund dafür, warum das Rating in Estland so gut funktioniert und warum man nicht ohne weiteres in weitere Länder expandieren kann.

Auch kriminelle Fälle versucht man auf diese Weise zu minimieren. Man kann sich z.B. vorstellen, dass kriminelle Individuen sehr zielstrebig durch den Antrag gehen oder so. Im Zweifelsfall vergibt man eher keinen Kredit, in Spanien kommen inzwischen z.B. nur noch ein Promille der Antragsteller ohne Kreditvorgeschichte überhaupt und nur mit kleinen Summen zum Zug.

Scoring und Pricing

Bondora hat ja den Anspruch, für beide Seiten faire Zinssätze anzubieten. Das war nicht immer so – eine Zeitlang gab es z.B. pauschal 28% (goldene Zeiten bis zur unweigerlichen Geldschwemme mit langen Warteschlangen für die Anleger). Aus den Daten der Vergangenheit hat man nun viele statisch-mathematische Modelle gebildet.
Sehr wichtig sind die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kredit bereits ausfällt ohne je eine Rate bezahlt zu haben, die Ausfallwahrscheinlichkeit im ersten Jahr und das erwartete recovery nach einem Ausfall. Daraus versucht man ein Modell für die Rückzahlsumme während der Laufzeit zu bilden. Diese im Mittel erwirtschaftete Summe soll nun für den Kreditgeber die Rückzahlung plus Rendite ergeben, bei einem AA- Kredit z.B. 8% pro Jahr, bei den schlechteren Bonitäten etwas mehr (dazu steht ja einiges im Bondora Blog). Klingt alles ziemlich plausibel.

Meine Frage nun, warum es keine HHR-Kredite in ES mit 200%+-Zinsen und keine estnischen HR und F-Kredite mehr gibt. Antwort: Bondora hat gelernt (naja, dass müssen ihnen die Computer sagen. Haben viele von uns ja schon seit Jahren so gesehen) dass dies keine so gute Idee war. Sehr hoch verzinste Kredite führen zu einer Negativselektion der betroffenen Kunden. D.h. die die ernsthafte Zahlungsabsichten und ein bisschen Grips im Kopf haben, merken schnell, dass sie sich einen solchen Kredit in der Regel nicht leisten können. Die anderen, naiver oder weniger ehrlich, greifen zu. Höhere Ausfälle, noch höhere erforderliche Zinssätze, Eskalationsspirale.
Gute Entscheidung.

Steuern

Hatte ich zunächst ganz vergessen. Über Steuern in Deutschland haben wir auch ausführlich gesprochen. Über den aktuellen Stand, wo man Verluste nicht gegenrechnen kann. Über die drohende Veränderung, dass die Abgeltungsstuer durch den persönlichen Spitzensteuersatz ersetzt werden wird. Und über den unbrauchbaren TAX-Report von Bondora, der Zweitmarktgewinne ausweist, die keine sind. Solange man den mit Rabatt gekauften Kreditanteil nicht verkauft oder mehr als der Kaufpreis getilgt hat. Eine korrekte Implementierung habe ich dargelegt, auch wenn wir uns einig waren, dass diese schwierig werden wird. Da hat Bondora einiges zum Nachdenken.

Fazit

Das Gefühl „das haben wir doch schon lange gewusst“ verlässt mich während des Gesprächs oft nicht. Aber nach vorne schauen. Die jetzige Sichtweise deckt sich ziemlich mit meiner und das ist gut so. Ich sehe Bondora gut aufgestellt mit einer klaren Linie, ernsthaftem Interesse für die Belange der Anleger und insgesamt als sympathisches Unternehmen, das die Interessen aller drei Gruppen (Anleger, Kreditnehmer, eigene) zusammenbringen will. Auch das ist für mich wichtig. Jetzt noch ein bisschen mehr Offenheit und Transparenz, dann kann ich auch mit langfristig sinkenden Renditen gut leben.

4 Kommentare:

  1. Schöner Bericht auch wenn es nur ein Gefühl deinerseits ist - schafft das Vetraue - und bist du das auf dem Bild bei Bondora - auch mal schön ein Gesicht hinter einem Namen zu sehen :)

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  2. Interessanter Bericht immer wieder Lesenswert.
    Allerdings die Option Bondora zu verkaufen?
    Stehen die nicht so gut da?
    Bitte um Erklärung, danke.

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    1. So ganz verstehe ich deine Frage nicht. Die Aussage war jedenfalls ganz klar, man will unabhängig bleiben. Naja, immer eine Frage des Preises. Wenn jmd 200 Mio bietet...

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